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Stellungnahme zu den Änderungen der neuen Förderrichtlinie ab 2024

                                                                                                                      Essen, 28.06.2023

 

Ihre Bitte um Stellungnahme mit E-Mail vom 16.06.2023

Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Frauenberatungsstellen. Schriftliche Anhörung zu dem Entwurf der Neufassung

 

 

Sehr geehrte Frau Kuntzsch,

 

der Dachverband der autonomen Frauenberatungsstellen NRW e.V., nimmt sehr gerne Stellung zum Entwurf der Neufassung der Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Frauenberatungsstellen und bedankt sich für die Möglichkeit, Anregungen und Vorschläge zu machen, die wir für die Weiterentwicklung der Arbeit der Frauenberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen für wichtig erachten.

 

Ausdrücklich möchten wir folgende Änderungen, die Sie im Dialog mit der Frauenunterstützungsinfrastruktur in NRW entwickelt haben und die einen grundlegenden Beitrag zur Neufassung der Richtlinie leisten:

 

  1. Die Angleichung der allgemeinen Frauenberatungsstellen und der Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt.
    Damit wird eine überfällige einheitliche Unterstützungsinfrastruktur ermöglicht.

  2. Die Aufnahme des Begriffs „feministisch“ in die Definition der allgemeinen Frauenberatungsstellen.
    Er spiegelt die Ursprünge und Ziele der Arbeit in Frauenberatungsstellen wider.

  3. Die Benennung konkreter Hilfen bei allen Folgen von Gewalt gegen Frauen als „einen“ statt „den prioritären Schwerpunkt“ der Anti-Gewalt-Arbeit der allgemeinen Frauenberatungsstellen.
    Dies entspricht dem feministischen Ansatz unserer Mitgliedseinrichtungen, wonach Gewalt gegen Frauen und Mädchen strukturelle Ursachen hat, die ihren Ausdruck in historisch gewachsenen, aber auch heute noch bestehenden patriarchalen Gesellschaftsverhältnissen finden. Dem kann nur durch eine breit angelegte Arbeit begegnet werden, die nicht nur konkrete Hilfe, sondern auch ganzheitliche und parteiliche Unterstützung und Anwaltschaft für Frauen und Mädchen bietet.

  4. Die Erweiterung des Aufgabenspektrums der allgemeinen Frauenberatungsstellen um Öffentlichkeitsarbeit.
    Damit wird ausdrücklich ein Aufgabenbereich aufgenommen, der von jeher zum Selbstverständnis der Arbeit der allgemeinen Frauenberatungsstellen gehört und die Gewaltfreiheit und Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen zum Ziel hat.

  5. Der Nachweis der Gemeinnützigkeit von Zuwendungsempfängerinnen und Zuwendungsempfängern.
    Die Arbeit der Frauenberatungsstellen erfolgt im Interesse der Frauen und Mädchen im Besonderen und der Gesellschaft im Allgemeinen; sie ist daher zu Recht nicht als marktbezogene Dienstleistung anzusehen.

  6. Die Qualifikationsanforderungen an hauptberufliche Fachkräfte auf das Angemessene und Notwendige zu beschränken, hier Hochschulabschluss in Psychologie, Sozialarbeit oder Sozialpädagogik oder eine vergleichbare Qualifikation oder gleichwertige Berufs- und Beratungserfahrung im Einzelfall.
    Dies erleichtert die Personalrekrutierung und sichert gleichzeitig die hohe Qualität der Arbeit der Frauenberatungsstellen.

  7. Die Möglichkeit, eine Honorarkraft mit Stundenvergütung für einen Zeitraum von höchstens zwölf Monaten zu beschäftigen, wenn für eine Wiederbesetzung nicht sofort oder im Falle einer Vertretung nicht befristet eine hauptberufliche Fachkraft gefunden werden kann.
    Damit wird der Handlungsspielraum von Frauenberatungsstellen erweitert, um einem möglichen Personalmangel zu begegnen.

  8. Die Verlegung des Vorlagetermins für den Verwendungsnachweis auf den 30. April.
    Das ist für die Erstellung des Verwendungsnachweises in Anbetracht der knappen Personalressourcen und der Verfügbarkeit aller Unterlagen hilfreich.

 

Im Folgenden möchten wir Ihnen unsere Anregungen und Vorschläge unterbreiten, mit der Bitte, diese in die neue Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Frauenberatungsstellen aufzunehmen. Dazu gehören:

 

1.      Unsere Mitgliedseinrichtungen sind autonome Frauenberatungsstellen mit feministischer Ausrichtung. In § 1.2 sollte der Begriff der Autonomie entsprechend beibehalten werden:

„Frauenberatungsstellen in diesem Sinne sind:

a)     autonome feministische allgemeine Frauenberatungsstellen (…)

c)      autonome feministische Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt“

 

2.      Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit sind grundsätzliche Bestandteile der Arbeit von Frauenberatungsstellen. Dies gilt nicht nur für den Bereich der Anti-Gewalt-Arbeit, sondern für alle frauenspezifischen Problemlagen. Deshalb sollte Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit bereits im ersten Absatz von § 1.2 erwähnt werden:

 

„Frauenberatungsstellen im Sinn dieser Richtlinien sind Einrichtungen, die parteien-unabhängig Hilfen für Frauen und zu frauenspezifischen Problemen anbieten und damit das Angebot vorhandener Lebensberatungsstellen ergänzen und auf der Grundlage eines professionellen Angebots auch präventive und die Öffentlichkeit aufklärende und innovative Arbeit leisten.“

 

3.      In Übereinstimmung mit der Definition von „Gewalt gegen Frauen“ in der Istanbul-Konvention, Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, sollte wirtschaftliche Gewalt in die Definition von Gewaltformen in § 1.2 a) aufgenommen werden:

 

„Die allgemeine Frauenberatungsstelle hat als einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit konkrete Hilfen bei allen Formen von Gewalt gegen Frauen (körperliche Misshandlung, sexualisierte Gewalt, psychische Gewalt, wirtschaftliche Gewalt und so weiter)“

 

4.      Zu 4.2 schriftliche Kooperationsvereinbarung zwischen Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt und allgemeinen Frauenberatungsstellen, Anlage 1 als Vorlage:

Die hier im Detail aufgelisteten Inhalte entsprechen in vielen Aspekten nicht (mehr) den aktuellen Anforderungen und Standards von professioneller Arbeit in Beratungsstellen und würden zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedeuten, ohne im Ergebnis Verbesserungen für die Zielgruppen der von sexualisierter Gewalt betroffenen Frauen und Mädchen mit sich zu bringen. Darüber hinaus stehen einige genannte Anforderungen sogar im Widerspruch zu geltendem Arbeitsrecht (z.B. Urlaubs- und Krankheitsvertretung), da es sich bei nicht integrierten Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt und allgemeinen Frauenberatungsstellen in der Regel um eigenständige Trägervereine, d.h. Arbeitgeber handelt, mit denen die Mitarbeitenden entsprechende Arbeitsverträge abgeschlossen haben.
Sollte die Kooperationsvereinbarung mit inhaltlichen Vorgaben arbeiten, müssten diese dringend auf Sinnhaftigkeit und Rechtssicherheit überprüft werden.

 

5.      Aufgrund der umfangreichen Tätigkeitsbereiche der Frauenberatungsstellen und der anhaltenden hohen Nachfrage nach Beratung und Unterstützung sehen wir die derzeitige Personalausstattung als Mindestkapazität, die einer weiteren Aufstockung bedarf. Für diese Möglichkeit sollte die Formulierung in § 4.3 Satz 1 „jeweils mindestens“ nicht gestrichen werden. In der Folge sollte in § 5.4.1 Satz 1 „mindestens“ ergänzt werden.

 

6.      Die § 4.4 Absatz 4 genannte Stundenvergütung einer Honorarkraft sollte angemessen sein, d.h. sie sollte der tarifvertraglichen Regelung des TV-L beziehungsweise des TV-L SuE entsprechen.

 

So sollte in § 4.4 Absatz 4 die tarifvertraglichen Regelungen des TV-L bzw. des TV-L SuE hinsichtlich der Vergütung genannt werden. Gleiches gilt für § 5, der u.a. die Höhe der Zuwendungen regelt. Dazu werden wir unter Punkt 8 Stellung nehmen. 

 

7.      Die ausschließlich für spezialisierte Beratungsstellen vorgesehenen Honorarzuwendungen für Dolmetscherinnen und Dolmetscher, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten (siehe § 4.6 Satz 1) sollten auch für allgemeine Frauenberatungsstellen und Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt zur Verfügung stehen. Diesbezüglich sollte eine Angleichung der Richtlinie stattfinden, siehe dazu auch § 5.4.4 a) und b).

8.      Die Festbetragsfinanzierung hinsichtlich der Personalausgaben (siehe § 5.2 a) sollte sich an den tarifvertraglichen Regelungen des TV-L bzw. des TV-L SuE orientieren. Die folgende Formulierung könnte als Grundlage für eine Änderung der Richtlinie dienen:

„Die festgesetzte Personalkostenpauschale erhöht sich im Bewilligungszeitraum (aufgrund von Kostensteigerungen) im Folgejahr um die Höhe der anerkannten Tarifsteigerungen des TV-L / TV-L SuE aus dem jeweiligen Vorjahr.“

9.      In § 5.4.1 Satz 2 heißt es:

„Unter besonderer Berücksichtigung der Auslastung der Einrichtungen können für spezialisierte Beratungsstellen auf Antrag Pauschalbeträge von bis zu zweieinhalb Fachkräften festgesetzt werden.“

Eine Angleichung dieser Regelung ist auch für die allgemeinen Frauenberatungsstellen und die Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt anzustreben.   

 

10.  In § 6 heißt es, dass die Förderung durch das für Gleichstellung zuständige Ministerium in der öffentlichen Kommunikation angemessen dargestellt werden sollte, so z.B. der Förderhinweis unter Verwendung des Förder-Logos auf der Homepage oder in Publikationen der Frauenberatungsstellen. Die Namensnennung des Gleichstellungsministeriums in Pressemitteilungen sollte hiervon ausgenommen werden. Es ist in der Praxis nicht immer passend auf die Förderung durch das Ministerium zu verweisen.

Nachfolgend wollen wir zudem auf grundsätzliche Anliegen und Themen unserer Mitgliedseinrichtungen aufmerksam machen, die keinen Eingang in die neue Richtlinie gefunden haben, aber dringend einer Regelung bedürfen:

 

1.      Die Förderung einer Verwaltungskraft ist notwendig, zumal der bürokratische Aufwand in den Frauenberatungsstellen immer mehr zunimmt und die Beraterinnen von Verwaltungsaufgaben entlastet werden müssen.

 

2.      Die Aufnahme einer zusätzlichen (fest verankerten) Landesförderung der Interventionsstellenarbeit/pro-aktiven Beratungsarbeit nach §34a PolG NRW.

 

3.      Eine auskömmliche Finanzierung und Aufstockung der Personalstellen für die Arbeit der allgemeinen Frauenberatungsstellen und der Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt. Die vorgesehene Förderung von jeweils 1 ½ Stellen deckt nicht die Bedarfe der Arbeit.

4.      In § 1.1, § 1.3, § 5.1 und § 5.3 werden die bisherigen Fördermodalitäten fortgeführt. Gemäß § 8 der Istanbul-Konvention sollte eine angemessene finanzielle und personelle Ausstattung der Frauenunterstützungsinfrastruktur sichergestellt werden. Dies sollte sich in der Richtlinie wiederspiegeln, so vor allem die Projektförderung als Zuwendungsart aufgehoben werden.

5.      Hinsichtlich des Auszahlungsverfahrens (siehe § 7.6) haben wir die Erfahrung gemacht, dass die erste Teilzahlung der Zuschüsse für Sach- und Personalauskosten nicht pünktlich zum 10. Januar eines Jahres erfolgt. Dies führt zu Engpässen bei den Frauenberatungsstellen, die vermieden werden sollten. Für solche Fälle sollten den Frauenberatungsstellen Abschlagszahlungen bereitgestellt werden.

6.      Die Einrichtung eines landesweiten Dolmetschdienstes, ähnlich dem des Hilfetelefons.
Vor Ort ist es oft schwierig, qualifizierte Dolmetschkräfte für die Vielzahl an erforderlichen Sprachen zu finden. Eine zentrale Stelle, die dieses Angebot telefonisch leistet, wäre für die Unterstützung der Beratungsarbeit sehr hilfreich.

 

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

 

Aysel Sırmasaç und Martina Schmitz

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